Genetik

Der erste Botaniker, von dem bekannt ist, dass er zwei verschiedene Pflanzenarten gekreuzt hat, war der britische Gärtner Thomas Fairchild (1667-1729). Er kreuzte zwei Nelkenarten, indem er den Pollen von Dianthus barbatus auf den Stempel von Dianthus caryophyllus brachte, um so eine Hybridpflanze zu erzeugen. Fairchild wurde damals sehr kritisiert, man warf ihm vor, Gottes Schöpfung zu manipulieren. Aber das Interesse an neuen Arten von gärtnerisch reizvollen Blütenpflanzen war größer.

Lange Zeit wurde angenommen, dass das Kreuzen von Pflanzen mit verschiedenen Blütenfarben so funktioniert wie die Mischpalette eines Künstlers. Ein Hybrid aus einer rot und einer weiß blühenden Pflanze müsste somit rosa blühen. 1866 wies der Augustiner-Mönch Gregor Johann Mendel nach, dass dies falsch ist. Mendel (1822-1884) entdeckte das Konzept der rezessiven Allelen, eine der Erkenntnisse, die später als Mendel’sche Vererbungsgesetze bezeichnet wurden. Eine genetische Allele (oder DNA-Sequenz) ist rezessiv, wenn das Individuum einer bestimmten Art zwei Kopien des zuständigen Gens benötigt, um ein bestimmtes genetisches Merkmal zum Ausdruck zu bringen. Wenn das Individuum nur eine Kopie mitbekommen hat, von der männlichen oder weiblichen Seite, bleibt dieses Merkmal verborgen – im Unterschied zu einer dominanten Allele.

Mendel studierte die Blütenfarbe von Erbsen und fand heraus, dass Purpur die dominante Allele ist und dass Weiß rezessiv ist. Individuen mit zwei Purpur-Allelen (BB) haben eine purpurne Blütenfarbe – ebenso wie Pflanzen mit einer purpurnen und einer weißen Allele (Bb). Nur Erbsen, bei denen beide Allelen weiß sind (bb) entwickeln weiße Blüten.

mendel flowers

In Anlehnung an den lange vergessenen Mendel war Charles Chamberlain Hurst (1870-1947) der erste, der Albinismus bei Orchideen untersuchte. Er entdeckte, dass tatsächlich zwei Gene für die Ausbildung einer bestimmten Blütenfarbe verantwortlich sind: Faktor C ermöglicht die Bildung des Farbstoffs, während der andere Faktor, R, bestimmt, welche besondere Farbe erscheint (Rohrl, Helmut: For Heaven‘s Sake, It‘s Xanthic! Albinism in Orchids. In: Orchid Digest. Vol 69 (4), 2005. S.241). Jedes dieser Gene gibt es auch in einer inaktiven Form, c and r. Farbig blühende Pflanzen haben ein oder zwei aktive Allelen geerbt: CC und RR, Cc und RR, Cc und Rr oder CC und Rr. Albinos haben entweder die Kombination cc oder rr. C und R sind die dominanten Allelen, die die besonderen Enzyme bestimmen, die zur Produktion von Farbpigmenten erforderlich sind – unter ihnen die Anthocyanine, die für die Blütenfarbe besonders wichtig sind.

Seitdem gab es sehr viel genauere Forschungen zu den genetischen Prozessen, welche die Blütenfarbe bestimmen. Es sind mindestens 35 Gene bekannt, welche bei der Blütenfarbe von Petunien eine Rolle spielen (Timothy A. Holton/Edwina C. Cornish: Genetics and Biochemistry of Anthocyanin Biosynthesis. In: The Plant Cell, Vol. 7,1995, S. 1071). Unter ihnen sind auch Regulierungsgene, welche den Zeitpunkt, die Verteilung und die Menge der Anthocyanin-Pigmentierung beeinflussen).

Ein einzelnes Gen, also eine bestimmte Region des Chromosoms, enthält die Kodierung für die Herstellung von Enzymen, welche für die Biosynthese von Pigmenten, für ihren „biochemischen Pfad“, erforderlich sind. Die genetische Blaupause, bezeichnet als Genotyp, bestimmt so den Phänotyp, die visuellen Merkmale einer Blüte.

Forscher erzeugen transgene Pflanzen, um für die Pigmenterzeugung relevante Gene einzuführen, die natürlich nicht vorhanden sind. So gibt es etwa transgene Petunien mit Genen fremder Arten, welche die Produktion von Pelargonidin ermöglichen, einem Anthocyanin mit einer tiefroten Färbung. Es gibt zwei verschiedene Wege für eine solche gentechnische Veränderung mit dem Ziel, die Blütenfarbe zu verändern: (1) die Einführung von Genen, welche auf neue Enzym-Aktivitäten kodiert sind, und (2) die Inaktivierung von endogenen Genen (Holton/Cornish 1995, S.1077). Dies geschieht etwa durch das Verfahren der RNA-Interferenz (RNAi), bei dem gezielt einzelne Gene ausgeschaltet werden, so dass deren spezifische Eiweiß-Botenstoffe nicht mehr erzeugt werden.

Im Fall unserer Albiflora-Orchideen geht die Natur den zweiten Weg: Die Biosynthese der Blütenfarben-Pigmente ist blockiert. Da an diesem komplexen Prozess so viele verschiedene Gene beteiligt sind, gibt es auch verschiedene genetische Möglichkeiten, wie dieser Prozess blockiert oder reduziert wird.