Im Moor der weißen Orchideen

Nissekaer
Saure Moore sind nicht gerade ein typischer Standort für Orchideen – aber es gibt zwei seltene Ausnahmen: Die eine erstreckt sich über ein geographisch ausgedehntes Gebiet von Belgien über Nordwestdeutschland bis Skandinavien. und wird meist als Dactylorhiza sphagnicola bezeichnet. Die andere wächst nur in der dänischen Region Thy: Wenige hundert Meter hinter der Küstenlinie der Nordsee gibt es eine Population weiß blühender Orchideen, die von Henrik Ærenlund Pedersen als Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens beschrieben wurden (in: Nordic Journal of Botany, 2004). 2007 haben dann Sebastian Sczepanski und Karel Kreutz erklärt, dass es angemessener wäre, diese Pflanzen als Subspezies von Dactylorhiza sphagnicola zu betrachten – während Pedersen und Mikael Hedrén sphagnicola lediglich als weitere Subspezies von Dactylorhiza majalis betrachten. Abgesehen von der Farbe sind die morphologischen Unterschiede der Einzelblüten von Dactylorhiza majalis subsp. majalis (link), calcifugiens (Mitte) und sphagnicola (rechs) kaum erkennbar:
DactylorhizaDer Sporn von Dactylorhiza sphagnicola ist ein wenig länger als der von D. majalis subsp. calcifugiens. Und die Blätter dieser Art sind in einem größeren Winkel zur Seite gespreizt als bei D. sphagnicola:
Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens
Die Blüten zeigen keinerlei rosa oder violetten Farbton, selbst den Pollinarien fehlt jedes Anthocyanin. Im Zentrum der Blüte, an der Narbenhöhle, findet sich eher ein leicht gelbliche Färbung, was ein wenig an Dactylorhiza incarnata subsp. ochroleuca erinnert. Im Unterschied zu anderen Populationen von Albiflora-Formen, etwa bei Dactylorhiza fuchsii, gibt es hier auch keine graduellen Unterschiede beim Verlust der Farbe – alle Pflanzen sind konsistent in der weißen Farbe ihrer Blüten.
Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens
Bei der Erkundung der Region, habe ich Calcifugiens-Pflanzen an zwei Standorten gefunden, einmal in der Nähe des kleinen Fischerdorfs Lild Strand mit nur drei Pflanzen, dann weiter südlich in einem Moor namens Nissekaer mit etwa 150 Pflanzen. Umgeben von Dünen ist dieser Ort eine natürliche Senke mit einer Länge von etwa 1500 und einer Breite von etwa 250 Metern:
Google Earth image of Nissekaer
Mitte Juni sind die Orchideen hier gerade am Anfang ihrer Blütezeit. Die meisten Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens wachsen am Rand der feuchten Stellen, nicht so nass stehend wie Dactylorhiza sphagnicola im Hohen Venn in Belgien. Und die Calcifugiens-Pflanzen sind kleiner, erreichen gerade mal eine Höhe von 31 cm. Zu den Nachbarpflanzen gehören Torfmoos (Sphagnum palustre), Teich-Schachtelhalm (Equisetum fluviatile), Wollgras (Eriophorum angustifolium), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Moosbeere (Vaccinium oxycoccus), Besenheide (Calluna vulgaris), Siebenstern (Trientalis europaea) und sogar Sonnentau (Drosera rotundifolia). Unter den niedrig wachsenden Büschen dominiert der Gagelstrauch (Myrica gale), der von der Bierbrauerei in der nahegelegenen Stadt Thisted zum Bierbrauen verwendet wird.

Drosera_rotundifolia
Einige Calcifugiens-Pflanzen haben eine breitere Lippe, was einen möglichen Hybrid-Einfluss von Dactylorhiza maculata andeutet – ähnlich wie bei den Sphagnicola-Pflanzen im Hohen Venn.
Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens
Unter all den weiß blühenden Orchideen im Nissekaer-Moor fand ich zwei violett blühende Pflanzen: Die eine möglicherweise eine Hybride von Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens und Dactylorhiza maculata (links), die andere vermutlich eine noch knospende Dactylorhiza maculata (rechts):
Dactylorhiza calcifugiens x maculata
Als Besucher und möglicherweise Bestäuber von Dactylorhiza majalis subsp. calcifugiens habe ich eine Schwebfliege der Gattung Syrphida beobachtet – wie ich es zuvor auch bei Dactylorhiza sphagnicola im Hohen Venn (links) gesehen habe.
Syrphida

Rege Interaktionen: Dactylorhiza fuchsii und majalis

Dactylorhiza fuchsii x majalisOrchideen-Standorte ändern sich ständig: Auf einer zuletzt 2010 besuchten Wiese im Spessart ist die Zahl der Dactylorhiza fuchsii in diesem Jahr sehr viel kleiner. Nun wachsen dort mehr Dactylorhiza majalis als vorher – und etliche Hybriden beider Arten. Diese können ganz unterschiedliche Formen annehmen: entweder gedrungene Pflanzen mit den breiten Blättern von majalis und helleren, fuchsii-ähnlichen Blüten mit breiter Lippe (oben) – oder lang gestreckte Pflanzen mit schmalen Blättern und dunkleren Blüten mit einer etwas breiteren Lippe (unten).
Dactylorhiza fuchsii x majalisDie Dactylorhiza fuchsii auf dieser Wiese, die sowohl feuchte als auch trockene Stellen hat, haben sehr helle Blüten, aber meist noch mit einem Hauch von Violett, zumindest im Schleifenmuster der Lippe. Bei dem diesjährigen Besuch am 1.6. blühte auch eine Albiflora-Form von Dactylorhiza majalis.
Dactylorhiza majalis f. albiflora
Dactylorhiza majalis f. albiflora

Drei Albinos von Cephalanthera damasonium

Cephalanthera damasonium Cephalanthera damasonium gehört zu denjenigen Orchideenarten, die auch ohne Chlorophyll leben können – zusammen mit anderen Arten des Tribus Neottieae oder der Gattung Epipactis. Beim Erkunden eines Mischwalds in der Nähe von Lahnstein (Rheinland-Pfalz) bin ich zusammen mit Ingo Beller vom Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) Rheinland-Pfalz auf eine Gruppe von drei Albino-Pflanzen gestoßen, in der Nähe drei weitere Cephalanthera damasonium mit grünen Blättern. Von den apochromen Pflanzen hatte eine zwei Blüten, eine nur eine Blüte und die dritte keine. Diese Albino-Pflanzen erhalten ihren organischen Kohlenstoff mit Hilfe von Pilzen. Eine Studie von V. Tranchida-Lombardo, M. Roy, E. Bugot, G. Santoro, Ü.Püttsepp, M. Selosse and S. Cozzolino, veröffentlicht 2010 in der Zeitschrift Plant Biology, legt nahe, dass die Albino-Form von Cephalanthera damasonium als Zwischenstufe in der Evolution zur Mycoheterotrophie, betrachtet werden kann, also der Fähigkeit, sich sowohl mit Pilzen als auch über die Photosynthese zu ernähren. Aufgrund von genetischen Untersuchungen kommen die Autoren außerdem zu dem Schluss, dass Albinos sowohl dauerhafte Mutanten sein können, die ihre Erscheinungsform über mehrere Jahre hinweg beibehalten, als auch eine zeitweilige Phase des Phänotyps darstellen können, in der diejenigen Gene, die an der Photosynthese beteiligt sind, je nach den Bedingungen der unmittelbaren Mikro-Umwelt abgeschaltet werden. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Kohlenstoff-Versorgung über Pilze so hoch ist, dass die Ausbildung von Chlorophyll in den Blättern gestoppt wird.

Massenbestand von Dactylorhiza fuchsii f. albiflora

Dactylorhiza fuchsii f. albiflora

Neben der irischen Region The Burren und einem hessischen Standort bei Biebergemünd gibt es ein weiteres Gebiet, wo Dactylorhiza fuchsii in großer Zahl zu weiß blühenden Formen tendiert: In einem Birkenwald in der Nähe des Dorfs Wolken im oberen Mosel-Tal bei Koblenz blühen zurzeit mehrere hundert Pflanzen mit einer deutlichen Tendenz zu hellen und weißen Blüten. Eine Stichprobenzählung ergab einen Anteil von 13 Prozent weißen Blüten ohne Lippenzeichnung. In weiteren 38 Prozent der Pflanzen hatten die Blüten einen weißen Grund mit violetter Markierung. Die Unterschiede der Blütenfärbung entsprechen den Ergebnissen in den anderen beiden Regionen und sind sogar noch etwas stärker betont. Diese Befunde könnten die Vermutung weiter belegen, dass sich Dactylorhiza fuchsii mitten in einem evolutionären Prozess befindet, der auch den Phänotyp, also das äußere Aussehen der Art verändert.

Verteilung von Blütenfarben nach Standorten in Prozent:
different locations of Dactylorhiza fuchsii

Die folgende Tafel zeigt die große Bandbreite der Fuchsii-Blüten an diesem Standort. Die hellsten Formen haben auch keine Anthocyanin-Pigmente in den Pollinarien, wie die untere Reihe der Beispiele und die folgende Makro-Aufnahme zeigen.
Dactylorhiza fuchsii

Dactylorhiza fuchsii f. albiflora

Die beiden einzigen weiteren Orchideen in dem Waldstück sind Platanthera chlorantha und Epipactis spec. – während an den beiden anderen Standorten mit Massenvorkommen von Albiflora-Formen von Dactylorhiza fuchsii auch die früher blühende Orchis mascula (Burren) oder Dactylorhiza majalis (Biebergemünd) vorkommen, beide rosa-violett blühend und – wie Dactylorhiza fuchsii – sogenannte Nektartäuschblumen. Unter den weiteren Pflanzen in dem Birkenwäldchen, einer ehemaligen Kiesgrube und nun als Naturschutzgebiet „Kuhstiebel“ ausgewiesen, sind Orthilia secunda (Birngrün), Fragaria vesca (Walderdbeere) und Tussilago farfara (Huflattich). Aber die bestimende Pflanze ist dort wie in einem nahegelegenen Feuchtgebiet Dactylorhiza fuchsii, zumeist mit gefleckten Blättern – selbst bei den weiß blühenden Formen: Dactylorhiza fuchsii f. albiflora

Farbe ist wichtig – eine besondere Spinnenbeziehung zu Cypripedium calceolus

Cypripedium calceolus with Misumena vatia

Misumena vatia, die Veränderliche Krabbenspinne, hat eine besondere Beziehung zu Orchideen – auf einer Albiflora-Form von Dactylorhiza fuchsii kleidet sie sich mit einem weißen Körper, wie Norbert Griebl beobachtet hat. Jetzt habe ich sie in Thüringen auf der gelben Lippe von Cypripedium calceolus in ihrer gelben Form entdeckt – perfekte Mimikry. Die Spinne nutzt dabei den Umstand aus, dass die Frauenschuh-Lippe für kleine Insekten eine Kesselfalle ist – während die Pflanze so ihre Befruchtung sicherstellen will, ist die Spinne an der Nahrung interessiert.

Sie ändert ihre Farbe, indem sie ein gelbes Pigment in die äußere Zellschicht ihres Körpers einlagert. Wenn sie auf einer weißen Blüte sitzt, wird dieses Pigment wieder in untere Schichten transportiert oder ausgeschieden. Der Farbwechsel von weiß nach gelb dauert 10 bis 25 Tage, der von gelb zu weiß nur etwa 6 Tage.

Cypripedium calceolus zeigt in Thüringen kaum Abweichungen bei der Blütenfarbe. Unter mehr als 1000 Pflanzen konnte ich eine mit reduzierten Anthocyaninen in Sepalen und Petalen finden, die als Cypripedium calceolus forma citrinum angesprochen werden könnte.
Cypripedium calceolus f. citrinum

Dactylorhiza cyrnea – neue Art auf Korsika beschrieben

Die beiden Spezialisten der Orchideen-Flora auf Korsika, Wolfram Foelsche und Klaus Cord-Landwehr, haben eine neue Dactylorhiza-Art beschrieben: Dactylorhiza cyrnea gehört zur Gruppe von Dactylorhiza maculata und hat wie diese einen tetraploiden Chromosomen-Satz. In ihrem Beitrag über „Dactylorhiza cyrnea und die Taxa der Gattung Dactylorhiza auf Korsika“, veröffentlicht im Journal Europäischer Orchideen (Vol. 44, Heft 1, April 2012), überprüfen die Autoren die Fundmeldungen von Dactylorhiza insularis, Dactylorhiza sambucina und Dactylorhiza saccifera auf Korsika und stellen fest, dass sich Dactylorhiza majalis nicht für die Mittelmeerinsel belegen lässt. Die als Dactylorhiza cyrnea beschriebenen Pflanzen sind morphologisch ähnlich mit der diploiden Dactylorhiza fuchsii. Sie haben einen ziemlich langgestreckten Wuchs und wachsen an feuchten Standorten.

Die Blätter sind meist undeutlich gefleckt, können aber auch ungefleckt sein. Die Blüten haben einen ausgeprägt dünnen Sporn (im Unterschied zum dicken Sporn von D. saccifera), der kürzer als der Fruchtknoten ist. Ihre Farbe ist ein helles Rosa, mit einem violetten Lippenmuster. Die von den Autoren beschriebene Population „bietet … ein sehr einheitliches Bild, das nur ab und zu von weiß blühenden Pflanzen belebt wird“, wie die Autoren vermerken“. Das oben rechts gezeigte Foto, das mir Wolfram Foelsche dankenswerterweise zugeschickt hat, ist auch in dem Artikel abgedruckt.

Vortrag zu Albiflora-Orchideen in Koblenz

Auf Einladung des Arbeitskreises Heimische Orchideen (AHO) Rheinland-Pfalz habe ich bei einem Abend in Koblenz einige Gedanken zu Albiflora-Orchideen vorgestellt. Nach einer Einführung in die Grundlagen von Biochemie und Genetik der Blütenfarben habe ich auf die deutlichen Unterschiede in der Häufigkeit von Albiflora-Formen bei bestimmten Orchideenarten hingewiesen. Bei einer Frequenz von mehr als 0,1 Prozent kann man annehmen, dass Albiflora-Formen nicht einfach das Ergebnis spontaner Mutationen sind, sondern auf einen gewissen evolutionären Prozess hindeuten. Mit Blick auf Dactylorhiza fuchsii gibt es Grund für die Vermutung, dass ökologische Einflüsse die Ausbildung von Albiflora-Formen begünstigen – eine These, die in einem geplanten Artikel für das AHO-Magazin „Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen“ ausgeführt werden soll.

Kein Latein mehr für Beschreibung von Arten nötig

Caroli Linnæi ... Flora zeylanica: sistens plantas indicas Zeylonæ insulæ ...
Caroli Linnæi ... Flora zeylanica: sistens plantas indicas Zeylonæ insulæ ...1747

Mit Beginn des neuen Jahres hat die internationale botanische Gemeinschaft zwei Voraussetzungen für die Beschreibung neuer Arten oder anderer Taxa fallen gelassen. Es ist jetzt nicht länger erforderlich, eine Beschreibung auf Latein anzufügen, und der Artikel mit der Beschreibung einer neuen Art muss nicht mehr gedruckt, sondern kann auch online veröffentlicht werden. „Beginning 1 January 2012 names of new plants, algae, and fungi may now be published with a validating diagnosis or description that is written in either Latin or English“, heißt es in einem Artikel, der die Beschlüsse eines internationalen botanischen Kongresses I’m Juli 2011 in Melbourne erläutert. Die Regeln zur Einführung gültiger Taxa sind im International Code of Nomenclature for algae, fungi, and plants (ICN) festgelegt.

Richard Bateman über Stabilität und Wandel

Richard Bateman
Stets auf der Suche nach Hinweisen zur Erhellung des Albiflora-Phänomens habe ich Richard Bateman in London besucht. Die weiß blühenden Formen „sind für mich von größtem Interesse wegen der unterschiedlichen Häufigkeiten bei den diploiden und tetraploiden Gruppen von Dactylorhiza“, sagte er mir. „Wenn man über die einzelnen diploiden Arten nachdenkt – incarnata, fuchsii, sambucina – so weisen sie allesamt ausgeprägte Farbvarietäten auf. Und sie haben alle eine gewisse Anzahl von sehr weißen oder blassen Individuen.“ Ganz anders aber sind die Beobachtungen bei den tetraploiden Dactylorhiza-Arten wie praetermissa, majalis oder alpestris. Bateman sagte: „In 30 Jahren der Beobachtungen im Feld habe ich nur eine weiß blühende praetermissa und eine weiße Form von traunsteinerioides gesehen.“ Um einiges jünger ist das Projekt albiflora.eu – aber bisher gingen hier nur Berichte über ein paar verstreute Beobachtungen von weiß blühenden Dactylorhiza majalis ein – und keine von praetermissa oder traunsteineri. Als eine mögliche Erklärung merkte Bateman an: „Wahrscheinlich ist bei den Tetraploiden ein Minimum von vier Kopien eines Gens mit einer Fehlfunktion erforderlich, um Albinismus zu verursachen. Daher denke ich, dass die Tetraploiden einen Puffer gegen Albinismus besitzen, indem sie über zusätzliche Kopien der Gene verfügen, welche die Anthocyanin-Pigmente erzeugen.“

Auf das Argument der negativen Konnotation des Begriffs Fehlfunktion antwortete Bateman: „Die meisten Organismen sind so ‚entworfen‘, dass sie so bleiben, wie sie sind und sich nicht [grundlegend] ändern. Daher ist aus genetischer Perspektive jede zum Vorschein kommende Änderung eine Fehlfunktion. Ich stimme zu, dass eine Fehlfunktion auch ehger nützlich als negativ sein kann, aber meistens ist es negativ.“

Batemans vorrangige Forschungsinteressen sind die Fragen der Artenbildung oder zumindest die Frage, was zu evolutionären Abweichungen zwischen Populationen führen könnte: „Die Ebene der Gattungen ist – für mich zumindest – geklärt. Nun interessiert mich die Artenebene am meisten. Hier gibt es noch die größten Herausforderungen – wie die Artenbildung bei Orchideen verläuft.“ Trotz einer gewaltigen Fachliteratur zu diesem Thema seien diese Fragen, so sagt Bateman, immer noch nicht angemessen beantwortet. „Jedes Mal, wenn ich eine bestimmte Gruppe von Orchideen untersuche, fällt die Antwort [auf diese Frage] unterschiedlich aus.“ So ist bislang keine Verallgemeinerung möglich. Allerdings merkt Bateman an: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bedeutung [spezifischer] Bestäuber von vielen Forschern übertrieben wird.“

Zumindest eine allgemeine Beobachtung scheint sicher zu sein, wie Bateman anmerkt: „Es werden ständig neue [evolutionäre] Strategien ausprobiert – mehr als die meisten Leute glauben – aber ich denke, sie sind weniger oft erfolgreich, als die meisten Leute annehmen.“

Neben derartigen Betrachtungen über Stabilität und Wandel in der Genetik von Orchideen fragten wir uns, warum hypochrome Formen von Ophrys eher grün als weiß sind – offensichtlich enthalten die Ophrys-Blüten immer noch ChlorophylI, selbst wenn die Anthocyanine fehlen – und das aus gutem Grund: „Die Blattrosetten von Ophrys (und auch von Himantoglossum) neigen zum Verblühen, bevor die Blüten sich richtig öffnen“, sagte Bateman. „Ich denke nicht, dass eine umfangreiche Versorgung mit Nährstoffen [zwischen Wurzel und Blüte] stattfindet. Die Blüte ist autonom geworden … während die Blüten bei Orchis oder Anacamptis weit weniger unabhängig sind.“ Ophrys-Blüten sind also ziemlich einzigartig. „Wenn man an den Blüten arbeitet, sie aufschneidet und unter dem Mikroskop betrachtet, ist es verblüffend zu sehen, wie viel Energie in eine Ophrys-Blüte investiert ist. Da gibt es sehr viel Gewebe.“

Nach dem Besuch waren dann die Royal Botanic Gardens in Kew der richtige Ort, um weiter über die Wunder der Natur zu sinnieren. (Mit Dank an Richard Bateman für die Überprüfung der Zitate, zusätzliche Anmerkungen sind mit eckigen Klammern kenntlich gemacht)
Kew Gardens

Farb- UND Formvarietät von Anacamptis morio

Anacamptis morio
Oops, das ist eine sehr besondere Anacamptis morio, die Norbert Griebl in der Nähe von Sittendorf, südwestlich von Wien, entdeckt hat. Neben der Abwesenheit von Anthocyaninen (die bei dieser Art recht häufig vorkommt) ist die Lippe wie die Sepalen geformt, mit grünen Adern. Somit ist hier nicht nur die Farbe der Blüte verändert, sondern auch deren morphologische Struktur.