In einer Population von etwa tausend Orchis pauciflora in Südkroatien hat Bariša Ilić aus Metković acht Pflanzen mit fast weißen Blüten gefunden. Die roten Punkte auf der Lippe bilden so einen besonderen Kontrast. Es war das erste Mal, dass er diese besonderen Formen an dem Fundort in der Nähe der Stadt Ston im Bezirk Dubrovnik-Neretva gesehen hat. Bariša Ilić ist ein Ornithologe, der sich – wie er schreibt – vor fünf Jahren in wild wachsende Orchideen verliebt hat.
Die Blüten von Orchis pauciflora haben eine kräftige gelbe Farbe. Sie enthalten hohe Anteile von Carotinoiden – den Pigmenten, die bei vielen Pflanzen die gelbe Blütenfarbe erzeugen. Während Anthocyanine – die rote, purpurne oder bräunliche Blütenfarben ermöglichen – wasserlöslich sind, sind Carotinoide fettlöslich (wie Chlorophyll). Da Anthocyanine in einem komplexen Prozess der Biosynthese gebildet werden, an dem mehr als fünf Enzyme beteiligt sind, ist es bei Anthocyaninen wahrscheinlicher, dass es zu einem Pigmentverlust kommt, als bei Carotinoiden. Dies könnte erklären, warum Orchis pauciflora mit weißlichen anstelle von gelben Blüten äußerst selten sind. Und selbst bei diesem Fund scheinen die Pflanzen im Lippenzentrum noch einen Rest von Gelb erhalten zu haben.
Dieser Eindruck eines graduellen Verlusts von Carotinoiden passt zu einer interessanten Studie der italienischen Botanikerin Alessia Luca. Diese untersuchte die Konzentration von Carotinoiden bei Hybriden von Orchis pauciflora und Orchis mascula. Ihre Doktorarbeit an der Universität von Kalabrien enthält Messungen der Anthocyanin- und Carotinoid-Konzentrationen in der Lippe der als Orchis x colemanii bezeichneten Hybriden. Dabei zeigte sich, dass die Carotinoid-Konzentration bei den Hybriden allmählich abnimmt: „O. xcolemanii showed a continuous flower color variation (Figure. 13) ranging from red-purple flowers of O. mascula to yellow flowers of O. pauciflora.“ (Alessia Luca: Evolutive significance of hybridization in Mediterranean deceptive orchids, p. 42)