Im Anschluss an die Standardwerke zu den Orchideengattungen Anacamptis, Neotinea und Orchis (zusammen mit Horst Kretzschmar und Helga Dietrich, 2007) sowie einer Monographie über die Gattung Cypripedium (2009) hat Wolfgang Eccarius jetzt eine jahrelange Arbeit abgeschlossen und ein Kompendium über die Dactylorhiza-Orchideen vorgelegt.
Das Werk schließt eine große Lücke zu einer besonders artenreichen und in Europa häufigen Orchideengattung. Wie man es von früheren Veröffentlichungen zu schätzen gelernt hat, stellt der Autor den Porträts der 37 Arten und 46 Unterarten eine umfangreiche Einleitung voran. Darin erläutert Eccarius seine Vorgehensweise bei der Abgrenzung von Arten und bietet einen Abriss zur Geschichte der wissenschaftlichen Forschung, angefangen bei dem 1534 erschienenen Kräuterbuch von Otto Brunfels. Das Werk verzichtet zwar auf das Unterfangen, einen Bestimmungsschlüssel zu erstellen. Mit einem Baum der Gattungsstruktur aufgrund gentechnischer Erkenntnisse bietet Eccarius aber einen guten Überblick zur Vielfalt der Dactylorhiza-Orchideen in ihren Verwandtschaftsbeziehungen.
Eccarius hat für seine Darstellung eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen getroffen. So verzichtet er auf Varietäten und Formen, weil er diese Begriffe bei Dactylorhiza als „hochproblematisch“ ansieht. „Hauptziel des Autors war eine Gattungsstruktur, die sowohl logischen Prinzipien genügt als auch für die Feldarbeit brauchbar ist“ Größeres Gewicht als der Abgrenzung von Arten misst er der Unterscheidung von zehn Sektionen bei: „Sektionen lassen sich in der Gattung Dactylorhiza viel leichter voneinander abgrenzen als Arten.“ So bilden die Fuchsiae eine eigene Sektion – hierzu gehören Dactylorhiza fuchsii ebenso wie Dactylorhiza saccifera. Die Sektion der Majales umfasst unter anderem Dactylorhiza majalis, Dactylorhiza cordigera und Dactylorhiza elata.
Dass Eccarius Coeloglossum viride als Dactylorhiza viridis betrachtet, ist nachvollziehbar. Die Viridae werden hier als Untergattung mit dieser einen Art gezeigt, neben der Untergattung Dactylorhiza. Andere taxonomische Entscheidungen stimmen hingegen nachdenklich. Etwa wenn hier das Strohgelbe Knabenkraut nicht mehr als Unterart von Dactylorhiza incarnata, sondern als eigene Art Dactylorhiza ochroleuca verstanden wird – weil das seltene Auftreten von Hybriden zwischen beiden sehr selten sei, „was nach Ansicht des Autors die Behandlung als eigenständige Art rechtfertigt“.
Weniger hilfreich erscheinen die Ausführungen zu den weiß blühenden Dactylorhiza fuchsii in Irland, die von Eccarius in den Rang einer Subspezies erhoben werden – bislang schien in der Literatur die Einstufung als Varietät mehrheitsfähig zu sein. Die Abgrenzung zu fuchsii ist vor Ort allerdings kaum hilfreich: „Die Unterart unterscheidet sich von der Stammart durch niedrigeren Wuchs“ – die Abbildungen dazu zeigen allerdings recht große Pflanzen. „Die weiße Blütenfarbe tritt populationsweise und nicht nur bei Einzelpflanzen auf.“
Genau dies trifft auch auf Dactylorhiza majalis subs. calcifugiens zu, die von Eccarius lediglich als Synonym zu Dactylorhiza sphagnicola aufgeführt wird. Als Foto wird eine Pflanze aus der Umgebung von Celle gezeigt, die wie eine Albiflora-Form von Dactylorhiza sphagnicola erscheint, sich ansonsten aber von der calcifugiens-Population in Nordjütland deutlich unterscheidet.
Ausgesprochen nützlich sind die Ausführungen zu Dactylorhiza maculata, die hier als west- bis nordeuropäische Art präsentiert wird, mit einer Verbreitung auch in Nordafrika und Nordasien. Die Blütenfarbe wird als besonders variabel beschrieben, von reinweiß bis zu zartem Hellviolett.
Eccarius sieht auch die für die Gattung typische Neigung zu einem Farbdimorphismus (oder Polymorphismus) als funktional relevant an. Dieser diene etwa bei Dactylorhiza romana, sambucina und incarnata dazu, „schnelle Lernvorgänge bei den Bestäuberinsekten zu vermeiden“. Hinweise dazu gibt es auch mit der regional unterschiedlichen Neigung von Dactylorhiza fuchsii, Albiflora-Formen zu entwickeln.
Die Neuerscheinung bedeutet einen großen Fortschritt für das Verständnis von Dactylorhiza-Orchideen. Das Buch macht aber auch deutlich, dass weitere Forschungsarbeiten zu dieser Gattung nötig sind.